Brokatpapiere sind leicht geprägte, in der Regel partiell mit einem Dekor aus Blattmetall versehene Papiere. Die Trägerpapiere (z.B. Natur- oder Buntpapiere) werden mit Blattmetallfolien bedeckt und in einer Kupferdruckpresse mit einer erhitzten gravierten Kupferplatte auf einem Druckfilz bedruckt. (Vgl. Matthias Hageböck: Brokatpapier. In: Julia Rinck / Susanne Krause: Handbuch Buntpapier. Stuttgart: Hauswedell, 2021, S. 82–97.)
englisch: brocade paper
Terminologie-Status: Der Terminus „Brokatpapier“ ist als Normbegriff fixiert.
Synonyme: Augsburger Papier (historisch – veraltet), engl.: dutch gilt papier
DIN 8580: Fügen (Blattmetall), Umformen (Reliefierung), z.T. Beschichten (Farbauftrag)
Techniken (übergeordnet): Drucktechnik, Prägedruck, Blockdruck
Modifikationen: Druck mit gold-, silber- oder kupfer-/bronzefarbenen Blattmetallfolien, verschiedene Trägerpapiere (Naturpapier, in der Masse gefärbtes Papier, Buntpapier), bisweilen vorher schabloniert (patroniert), teilweise nachträglich handkoloriert
Abgrenzung: Bronzefirnispapier, Reliefiertes Metallpapier
Geschichte und Technik
Die Brokatpapiere haben ihren Ursprung in Augsburg und kamen ab um 1700 in den Handel. Bereits 1708 beschreibt Johann Gottfried Zeidler in seiner „Buchbinder-Philosophie“ das Verfahren: Für die Herstellung der Brokatpapiere
„gebrauchet man eine Meßinge Form / worein die Blumen mit dem Grabstickel gegraben / und das übrige hol ausgehauen / von welcher die Figuren mit Blätleingolde auff gefärbt Papier abgedruckt werden“.
In: Johann Gottfried Zeidler: Johann Gottfried Zeidler: Buchbinder-Philosophie Oder Einleitung In die Buchbinder Kunst. Darinnen dieselbe aus dem Buch der Natur und eigener Erfahrung Philosophisch abgehandelt wird. Renger, Halle (Saale) 1708, S. 111–112.
Gehandelt wurden die Papieren von Brokatpapierverlegern: Der erste nachgewiesene Verleger war der Briefmaler, Patronist und „Türkisch Papiermacher“ Abraham Mieser, dessen Papiere eine „hervorragende Qualität“ hatten. (Vgl. Matthias Hageböck: Brokatpapier. In: Rinck/Krause: Handbuch Buntpapier. Stuttgart 2021. S. 85.)
Siehe auch: Liste der Brokatpapierverleger*innen und ihrer Signaturen
Trägerpapiere
Zwei Brokatpapiere mit goldfarbener Reliefierung auf einfarbig gestrichenem Papier von Abel & Renner. Auf dem links abgebildeten ganzen Bogen mit einem floral ornamentiertem Gittermuster ist an der linken unteren Kante die Verlegersignatur zu erkennen; rechts ist ein Ausschnitt eines Brokatpapiers mit Heiligendarstellungen zu sehen. Privatbesitz. Foto: JR
Brokatpapier, goldfarbene Blattmetallprägung auf einfarbig gestrichenem Grund (einfarbig gestrichenes oder einfarbiges Kleisterpapier), positiver Plattenschnitt, Dekor mit stilisierten Zweige und Blüten.
Privatbesitz. Foto: JR
„Puzzletechnik“
Anhand des reichhaltigen Bestandes der Brokatpapiere in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek entdeckte Matthias Hageböck ein spezielles Verfahren der Brokatpapierherstellung wieder, das lange in Vergessenheit geraten war:
Dazu wurde eine Druckplatte mit runden, ovalen oder eckigen Aussparungen verschiedener Größe und Zahl versehen. Das Grundmuster bestand in diesen Fällen aus Akanthus- oder Arabeskenranken, in deren Aussparungen verschiedene Motive eingestreut werden konnten. Dafür lagen kleine runde, ovale oder eckige Einlegestücke als Motivserien mit Tieren, Putten, Kriegstrophäen und anderen Darstellungen bereit, wodurch sich zahlreiche Variationsmöglichkeiten ergaben.“
Matthias Hageböck: Buntpapiere in Weimarer Huldigungsschriften. In: Claudia Kleinbub und Johannes Mangei (Hrsg.): Vivat! Huldigungsschriften am Weimarer Hof. Göttingen 2010, S. 62–63.
Hier wurde diese „Puzzletechnik“ angewandt: In die Platte mit Rankenornamenten wurden runde und ovale Musterstücke mit unterschiedlichen Motiven (hier die Vögel) eingesetzt. Zwei Brokatpapiere mit derselben Platte gedruckt: goldfarbene Blattmetallprägung auf einfarbig gestrichenem Papier (links) bzw. auf Naturpapier (rechts), Dekor mit Ranken, Blattwerk, Blüten und Vögeln, 18. Jahrhundert. Privatbesitz. Foto: JR
Muster und Dekore
Ein beliebtes Dekor der späteren Brokatpapiere waren Darstellungen heimischer und exotischer Tiere, die unter anderem auch als Ausschneidebögen verwendet wurden.
Brokatpapiere mit Tierdarstellungen, goldfarbenes Dekor (links) und silberfarbenes Dekor (rechts), um 1750-1800. Rijksmuseum, Amsterdam – http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.53110 sowie http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.53108. (CC0)
Schablonierte Brokatpapiere
Neben einfarbig gestrichenen Papieren wurden oft schablonierte (historisch: patroniert, von Patrone = Schablone) Trägerpapiere für die Brokatpapiere verwendet. Die Patronisten waren den Briefmalern verwandt, die z.B. Holzschnitte farbig kolorierten. Koloriert wurde mit Schablonen, wodurch der Farbauftrag sehr zügig und effizient erfolgen konnte.
Brokatpapier, goldfarbene Blattmetallprägung auf mehrfarbig Schabloniertem Papier. Die Schablonierung ist als lockeres Schachbrettmuster unter das kleinteilige florale Blattmetall-Dekor gelegt. @ Staatsbibliothek Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Signatur: 50MA5227.
Königliche Bibliothek Den Haag. https://www.flickr.com/photos/koninklijkebibliotheek (CC BY-SA 2.0)
Brokatpapier, goldfarbene Blattmetallprägung, mehrfarbige Schablonierung, Dekor mit stilisierten Ranken und Blüten.
Umschlagpapier zu: Die Erfahrung als eine Lehrmeisterin der Hoffnung… von Johann Christian Rende. Augspurg 1735.
Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig, Buntpapiersammlung des Börsenvereins
Sammlungen
- Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig
- Olga Hirsch Collection of Decorated Papers at the British Library, London
- Rosamond B. Loring collection of decorated papers at the Houghton Library, Cambridge
- Sammlung Adelheid Schönborn
Literatur
Albert Haemmerle: Buntpapier. Herkommen, Geschichte, Techniken, Beziehungen zur Kunst. Unter Mitarbeit von Olga Hirsch. München: Callwey, 1977.
Matthias Hageböck: Brokatpapier. In: Julia Rinck / Susanne Krause: Handbuch Buntpapier. Stuttgart: Hauswedell, 2021, S. 82–97.
Christiane Kopylov: Papiers Dorés d’Allemagne au Siécle des Lumières – suivis de quelque autres papiers decores 1680–1830. Paris: Ed. des Cendres, 2012.
Ilse Mühlbacher: Historische Buntpapiere aus den Beständen der Österreichischen Nationalbibliothek. Brokatpapiere. In: Codices Manuscripti & Impressi (130/131), S. 1–71.
Adelheid Schönborn /Michael Rothe (Hrsg.): Die phantastische Welt der Brokatpapiere. Die Sammlung Adelheid Schönborn. Bern: Haupt Verlag, 2020.
Siehe auch: Brokatpapier auf Wikipedia